i n d e x       k u n s t        t e x t e        a u s s t e l l u n g e n        a u k t I o n         k o n t a k t                        

Verwirrend simple Fragen

Mit einer Anfrage verbunden erreichte mich die Nachricht, daß Erwin Eisch, Skulpteur und Glasverschmelzer, als 35Jähriger in einem Brief an Harvey Littleton von "schwarzen Schafen" sprach. Das zielte auf seine Vision von "Glasmachern", in denen sich Handwerker und Künstler in einer Person einfinden. Ihnen gegenüber stünde eine Welt, angefüllt von industriellen Kunstprodukten. So informiert uns dieser Brief. Nun soll ich dazu eine Position notieren. Kunst mit Glas? Kunst oder Handwerk? Kunst mit Handwerk? Ohne Handwerk? Schwarze Schafe?

Was könnte diese Diskussion wohl fruchten? Ich glaube - wenig. Es gibt ein endlos wirkendes Zerreden künstlerischer Problematik, das den Umgang mit modernem Glas verfolgt, seit über "Studioglas" in einer Spezialkunst-Szene gesprochen wird.
Der Weg des Künstlers ist ein künstlerischer. Kunst kennt nur  e i n  Handwerk, das der Kunst - und daran, in einer Sparte für ein schwarzes Schaf zu gelten, würde mich lediglich irritieren, daß ich in einer Herde weißer Schafe mein Zuhause finden könnte. Wer mit Glas (oder mit sonstwas) als Künstler malt und formt und zeichnet oder Räume schafft, der sollte zeitig darauf sehen, daß er nicht als schwarzes Schaf im Gehege einer Spezialisten-Sparte deren Gras verdauen muß.

Ist Kunst aufgefordert, sich um Anerkennung ihres Handwerks zu bemühen?
Handwerk erklärt sich, indem es funktional ist - im Sinne von Gebrauch. Auf einem Stuhl möchte ich sitzen können, eine Tür sollte sich öffnen oder schließen lassen. Ein Stuhl, der darauf Platz zu nehmen unterbindet, erscheint in keinem Fall als gutes Handwerk.
Im Umkehrschluß dieser Erfahrung heißt das nicht, daß der Stuhl, befreit von seiner Sitzfläche, ein Kunstwerk sei.
Aber: auf einem Kunstwerk muß nicht zwingend jemand sitzen, auch dann nicht, wenn das Kunstwerk wie ein Stuhl aussieht.  Das fordert vom Verbraucher, daß der Anspruch "funktionaler Stuhl" gar nicht erhoben wird. Andernfalls ein Möbel mißraten ist, so es nicht funktioniert, egal wie gut es aussieht.
Wird dagegen etwas als visuell vermitteltes Erlebnis, als Skulptur untersucht und ähnelt dabei einem Stuhl, so ist das Darauf-Sitzen-Können hierfür kein Kriterium. Es entsteht ganz andere Funktion. Sinnlich wirkende Verwendung für den Geist.

Eine Zeichnung, mit freier Hand in eine Glasplatte gekratzt, sie kann ein Kunstwerk sein, kann den Betrachter in der Schwebe halten. Wie ein Gedicht, das nur fünf Zeilen aufweist. Wer die Kunst des Zeichnens schätzt, wird das sofort verstehen. Kunst, die sich rechtfertigt mit Handwerk, ist ein Unglück, denn in der Kunst mißt sich das Handwerk nur am geistigen Gebrauch. Besteht das Handwerk jeder Kunst denn nicht im Schaffen künstlerischen Ausdrucks, in Methodik und im Vorgang künstlerischen Untersuchens? Was sich vom handlichen Gebrauch entfernt - sei es der Stuhl, das Klobecken, der Tisch -, fordert gedankliche Verwendung, wird Kunst, wo es durch geistige Leistung einem nutz-orientierten Raum entzogen und dem Raum der Betrachtung zugeführt wird.

Dabei entstehen verwirrend simple Fragen: Ist eine Zeichnung Kunst, nur weil sie eine Zeichnung ist? Ist Künstler, wer von Beruf Künstler wurde?  Was macht Kunst aus? Die persönliche Annäherung an eine unpersönliche Welt? Die Produktion von Ware? Was muß an einer Zeichnung sein, daß sie für Kunst gilt? Muß sie überhaupt für Kunst gelten, wo sie doch Realität ist? Wer weiß zu sagen, wann eine Zeichnung weshalb eine schlechte sein soll, wenn nicht vermittelt werden kann, was wie zu zeichnen wäre und weshalb?
Wenn ein Mensch zeichnen möchte, sollte es ihm da nicht gleichgültig werden, ob das Zeichnen in der Zeit, die ihn gefangen hält, für Kunst gilt oder nicht? Wenn ein unter geistigen Kriterien gut gemaltes Bild nicht mehr in den Bereich der Kunst fällt, weshalb sollte es für einen Maler dann von Interesse bleiben, ob man ihn Künstler nennt?
Kunst ist immer öfter das, was bei Nichtkünstlern erfolgreich wirksam wird. Nichtkünstler bestimmen, was Kunst sein darf und was nicht. Das ist ein neues Leben mit der Vorstellung von Kunst. Das Publikum hält sich hierbei bedeckt, und die neu entstandene Gattung Kunst-Touristen hat sich damit abgefunden, daß Kunst ist, was in Kunst-Räumen als Kunst benannt wird. Und das kann alles sein, was Kunst zu sein für sich beansprucht. Allerdings, da zeigt sich ein Problem: Wo alles rot erscheint, gibt es kein Rot mehr. Wo alles Kunst ist, ist Kunst abgeschafft.

© Gerd Sonntag, 2009

publiziert in floppy myriapoda, Jan. 2010

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